Musicalsommer 2010
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CARMEN – ein deutsches Musical Bad Hersfelder Festspiele 2010 27. Juni 2010 – 21.00 Uhr |
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„Auf in den
Kampf, die Schwiegermutter naht...“ ist das erste was mir einfällt, wenn
ich „Carmen“ höre. Und irgendwie hätte ich mich auch wirklich gefreut, diese
Oper von Bizet in diesem Jahr in der Stiftsruine erleben zu dürfen – auch
wenn das Lied dort einen anderen Text gehabt hätte *g*. Aber die Carmen, die in Bad Hersfeld
geboten wurde, hatte noch weniger mit dem ursprünglichen Stoff zu tun, wie
der geänderte Liedtext. Diese Carmen spielt im Nachkriegsdeutschland, diese
Carmen ist blond, diese Carmen kommt aus der Ukraine – und was hat diese
Carmen mit einer feurigen Spanierin zu tun? Genau: Nichts! |
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Der Inhalt: Das Stück wird in Rückblende erzählt. Die
„Alte Marie“ schließt in der Jetztzeit ihren Hutladen, den sie sich nach dem
Krieg mühsam aufgebaut hatte. Sie ist mit ihrem Leben soweit zufrieden,
obwohl vieles hätte anders laufen können. 1948 - Die „Junge Marie“ handelt auf dem
Schwarzmarkt hinter dem Bahnhof mit Unterwäsche. Hier ist der Platz für die
„displaced persons“, die Leute, die nach dem Krieg noch keinen Platz in der
veränderten Gesellschaft gefunden haben. Die Männer sind aus dem Krieg zurück
und betreiben Schwarzhandel oder sind Zuhälter, die Frauen gehen in die
Fabrik und machen aus Stahlhelmen Küchensiebe. Marie ist mit Jo befreundet, einem „Jungen
aus gutem Hause“, der eine Lehre macht, bald Beamter sein wird und somit
ausgesorgt haben wird. Jo und Marie verloben sich und sind glücklich. Da taucht die Kartenlegerin Carmen auf und
verdreht den Männern den Kopf – selbst Jo macht sie im Beisein seiner
Verlobten schöne Augen und mehr. Es kommt wie man erwartet: Jo verliebt sich
hals über kopf in Carmen – aber man verliert sich wieder aus den Augen. Kati und Karlemann, ein Pärchen, das früher
auch hinter dem Bahnhof zu finden war, hat eine eigene Bar aufgebaut und sich
damit einen Traum erfüllt. Hier treffen Jo und Carmen wieder aufeinander. Jo
will mit Carmen zusammen sein und lässt Marie links liegen. Carmen legt sich
ihre Karten und entscheidet sich für Jo, auch wenn in den Karten sieht, dass
die Beziehung nur sieben Jahre halten wird. 1955 – Jo und Carmen sind noch zusammen, aber
Jo kommt mit der Eigenwilligkeit seiner Verlobten nicht mehr klar. Er ist
sehr unzufrieden und fordert sie auf, nachts nicht mehr alleine raus zu
gehen. Das lässt sich Carmen aber nicht vorschreiben. Sie zieht nachts mit
fremden Männern los und sagt das auch ganz offen zu Jo. Als dann der amerikanische Rock’N Roll-Star
der 50er-Jahre, Johnnie Ray, nach Deutschland kommt, will man dem großen Star
alle Wünsche erfüllen – und ein Wunsch von ihm ist, dass Carmen ihn eine
Nacht lang begleitet. Carmen, die ihn anhimmelt, ist sofort einverstanden,
aber in Jo keimt plötzlich Eifersucht. Nach dem Auftritt von Johnnie Ray
stellt Jo Carmen zur Rede. Er will, dass sie mit ihm kommt und nicht zu
Johnnie Ray geht. Es kommt zu Handgreiflichkeiten und plötzlich bricht Carmen
tot mit einem Messer im Bauch zusammen. |
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Mein Fazit: Nach dem Schlussapplaus bleibt man etwas
ratlos zurück. Die Musik war der Nachkriegszeit angepasst, flott und passend
zum Stück. Drei Lieder aus der Oper wurden in geänderter Version eingebaut.
Allerdings fehlte der wirkliche Ohrwurm, mit dem man aus der Stiftsruine
gegangen wäre. „Displaced persons“ – so wurden von den alliierten
Siegermächten die Menschen bezeichnet, die durch Krieg und Vertreibung entwurzelt
wurden. Auch wenn sich die äußere Hülle mit der Zeit ändert und
anpassungsfähig erscheint, das was drin steckt, bleibt immer das was, es war.
Das hätte man vielleicht etwas verständlicher
machen können, zumal nur diese Liedzeile auf Englisch gesungen wurde. Alle
Charaktere verändern sich, aber was in ihnen vorgeht, zeigen sie nicht. Nur
der Mann mit dem Huhn nicht. Er ruft immerzu die Revolution aus und zeigt uns
damit, was wirklich in ihm vorgeht. Die Personen des Stücks waren nicht
schlüssig, ja manchmal konnte man gar nicht verstehen, warum die Figur so
plötzlich eine ganz andere Meinung hat – z.B. Jo, der ja zuerst die
Halbseidene Carmen liebt, weil sie so ist wie sie ist und dann von jetzt auf
gleich fordert, dass sie sich ändert. Warum? Warum nicht eher? Warum jetzt
auf einmal? Oder Carmen – sie soll eine femme fatal sein
– erotisch und männermordernd? Woran erkenne ich das? Man vermutet, dass es
so sein soll, aber auf der Bühne kommt es für uns so nicht rüber. Sie bleibt
undurchsichtig – spricht in verschiedenen Sprachen, verschweigt woher sie
kommt. Geheimnisvoll ja, aber mehr auch nicht. Das Stück spielt in der Nachkriegszeit, geht
aber nur oberflächlich darauf ein – der Ehrenkranz wird mit der D-Mark
verziert und es gibt große Werbeplakate aus der Zeit. Die Probleme der Zeit
werden ausgeblendet – die Geschichte hätte auch zu jeder anderen Zeit spielen
können. Die große Frage für uns war immer wieder: Warum
heißt das Stück „Carmen“?? Warum heißt es nicht z.B. „Marlene“ ?? (wenn
die Hauptfigur schon deutlich Ähnlichkeit mit der Filmlegende hat).
Ähnlichkeiten zwischen George Bizet’s bzw. Prosper
Mérimée’s Carmen und diesem Stück gab es zwar, aber es war trotzdem „ein
deutsches Musical“ und keine Geschichte, die im Spanien des 19. Jahrhunderts
spielt. Nutzt man da nicht zu sehr den Namen ?? Ich glaube, bis hierher habe ich mir mit
meiner Kritik nicht viele Freunde gemacht *g*. Es ist aber nicht alles
negativ und für uns hat sich der Besuch in Bad Hersfeld trotzdem gelohnt. Die Darsteller waren sehr gut ausgewählt und
passten genau in ihre Rollen! Die Choreografie passte zur Musik, brachte überraschende
Bilder und Bewegungen. Das Bühnenbild mit der großen
schwarz-rot-goldenen Treppe und dem überdimensionalen Ehrenkranz passte sich
der Handlung immer wieder an. Die Musik von Wolfgang Schmidtke passte zum
Stück und in die Nachkriegszeit, Jazz und Schlager jener Jahre wurden
interpretiert – es fehlte aber der Ohrwurm. Und da ist auch noch Gaines Hall, der zwar
nur eine verhältnismäßig kleine Rolle als Johnnie Ray hat, diese aber so
ausfüllt, dass ein Raunen durch die Zuschauerreihen ging, als er mit seinem
Lied einsetzte. Ich denke nicht, dass ich dieses Stück noch
einmal ansehen muss, aber ich freue mich schon auf das kommende Jahr, wo es
dann hoffentlich wieder ein bekanntes Stück geben wird – oder die richtige
Oper „Carmen“ !! |
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Die Darsteller: Anna Montanaro – Carmen Stimmlich sehr gut, gut verständlich,
ausdrucksstark. Allerdings fehlte mir die Erotik der Figur –
vielleicht lag es an den Kostümen, die zwar in die Nachkriegszeit passten,
aber eher an Wollstrümpfe und selbstgenähtes Kleid erinnerten. So stelle ich
mir keinen lasziven Vamp vor. Christian Alexander Müller – Jo Er konnte mich in dieser Rolle nicht
überzeugen – was auch an der wenig ausgearbeiteten Rolle liegen kann, aber
gerade das sollte ja eine Herausforderung für einen Darsteller sein, so einer
Rolle eine Prägung zu geben. Seine Sprechpassagen waren unverständlich, leise
und wenig überzeugend. Gesanglich gut, aber beim Terzett mit Anna Montanaro
und Kristin Hölck verblasste er doch sehr. Kristin Hölck – Junge Marie Sehr angenehme Stimme, passend zur Rolle, gut
verständlich und überzeugend. Das liebe Mädchen, das sein ganzes Leben lang
diesen Jo liebt, nahm man ihr ab. Franziska Weber – Alte Marie Sie spielte die Rolle überzeugend und man
nahm ihr ab, dass sie sich mit ihrem Leben arrangiert hat. Sie hat mich überzeugt! Gaines Hall – Johnnie Ray Überzeugend und faszinierend wie Gaines Hall in
die Rolle des Johnnie Ray schlüpft.
Hätte man ihn nicht Johnnie Ray genannt, hätte man ihn auch als Gaines
Hall, den Rock’N Roll-Star aus Amerika, vorstellen können. Großartig! Maaike Schuurmans – Kati Sie überzeugte mit ihrer Rolle und ihrer
Stimme. Maaike Schuurmans vermochte es, ihrer Figur Profil zu geben und sie
so zu spielen, dass man die Entwicklung nachvollziehen konnte. Paul Kribbe - Karlemann Seinen Karlemann kann man sich in der
Realität vorstellen – stimmlich sehr kraftvoll und überzeugend, auch wenn ich
ihm die 50er-Jahre Werbung nicht abgenommen habe. Der Mann mit dem Huhn – Livio Cecini Sicher war es interessant und
abwechslungsreich den Mann mit dem Huhn zu beobachten. Das Huhn Hanny spielte
seine Rolle ja auch überzeugend: ein richtiges Huhn J. Was ich allerdings für völlig unnötig halte, ist ein echtes
Huhn auf der Theaterbühne!! Da hätte es auch ein Stoffhuhn getan, denn die
Hanny hätte sicher ihr Futter viel lieber auf dem Hühnerhof gesucht. Das Ensemble Alle Darsteller einzeln aufführen geht gar
nicht, aber insgesamt haben wirklich alle ihre Sache gut gemacht - die
Honoratioren, die im Gänsemarsch in die Bar marschiert sind oder die
Hutverkäuferin, die hysterisch nach „Joooohnniiie Raayyy“ geschrieen hat, um
nur ein paar davon zu erwähnen. |
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Gudrun Kauck 2010 |
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