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Musicalsommer 2010

 

 

CARMEN – ein deutsches Musical

Bad Hersfelder Festspiele 2010

27. Juni 2010 – 21.00 Uhr

 

Auf in den Kampf, die Schwiegermutter naht...“ ist das erste was mir einfällt, wenn ich „Carmen“ höre. Und irgendwie hätte ich mich auch wirklich gefreut, diese Oper von Bizet in diesem Jahr in der Stiftsruine erleben zu dürfen – auch wenn das Lied dort einen anderen Text gehabt hätte *g*.  Aber die Carmen, die in Bad Hersfeld geboten wurde, hatte noch weniger mit dem ursprünglichen Stoff zu tun, wie der geänderte Liedtext. Diese Carmen spielt im Nachkriegsdeutschland, diese Carmen ist blond, diese Carmen kommt aus der Ukraine – und was hat diese Carmen mit einer feurigen Spanierin zu tun? Genau: Nichts!

 

Besetzung:

 

Carmen

Anna Montanaro

Alte Marie

Franziska Weber

Junge Marie

Kristin Hölck

Kati

Maaike Schuurmans

Jo

Christian Alexander Müller

Johnnie B. Ray

Gaines Hall

Karlemann

Paul Kribbe

Gerd

Thomas Schweins

Süssholz

Oliver Heim

Freddy

Dirk Johnston

Stankowski

Martin Bringmann

Mann mit Huhn

Livio Cecini

 

Buch und Songtexte: Judith Kuckart     Musik: Wolfgang Schmidtke    Regie: Nico Rabenald

Musikalische Leitung: Christoph Wohlleben    Choreografie: Wolf Bader, Gaines Hall

Bühne: Roy Spahn    Kostüme: Karin Alberti

 

Der Inhalt:

 

Das Stück wird in Rückblende erzählt. Die „Alte Marie“ schließt in der Jetztzeit ihren Hutladen, den sie sich nach dem Krieg mühsam aufgebaut hatte. Sie ist mit ihrem Leben soweit zufrieden, obwohl vieles hätte anders laufen können.

 

1948 - Die „Junge Marie“ handelt auf dem Schwarzmarkt hinter dem Bahnhof mit Unterwäsche. Hier ist der Platz für die „displaced persons“, die Leute, die nach dem Krieg noch keinen Platz in der veränderten Gesellschaft gefunden haben. Die Männer sind aus dem Krieg zurück und betreiben Schwarzhandel oder sind Zuhälter, die Frauen gehen in die Fabrik und machen aus Stahlhelmen Küchensiebe.

Marie ist mit Jo befreundet, einem „Jungen aus gutem Hause“, der eine Lehre macht, bald Beamter sein wird und somit ausgesorgt haben wird. Jo und Marie verloben sich und sind glücklich.

Da taucht die Kartenlegerin Carmen auf und verdreht den Männern den Kopf – selbst Jo macht sie im Beisein seiner Verlobten schöne Augen und mehr. Es kommt wie man erwartet: Jo verliebt sich hals über kopf in Carmen – aber man verliert sich wieder aus den Augen.

Kati und Karlemann, ein Pärchen, das früher auch hinter dem Bahnhof zu finden war, hat eine eigene Bar aufgebaut und sich damit einen Traum erfüllt. Hier treffen Jo und Carmen wieder aufeinander. Jo will mit Carmen zusammen sein und lässt Marie links liegen. Carmen legt sich ihre Karten und entscheidet sich für Jo, auch wenn in den Karten sieht, dass die Beziehung nur sieben Jahre halten wird.

 

1955 – Jo und Carmen sind noch zusammen, aber Jo kommt mit der Eigenwilligkeit seiner Verlobten nicht mehr klar. Er ist sehr unzufrieden und fordert sie auf, nachts nicht mehr alleine raus zu gehen. Das lässt sich Carmen aber nicht vorschreiben. Sie zieht nachts mit fremden Männern los und sagt das auch ganz offen zu Jo.

Als dann der amerikanische Rock’N Roll-Star der 50er-Jahre, Johnnie Ray, nach Deutschland kommt, will man dem großen Star alle Wünsche erfüllen – und ein Wunsch von ihm ist, dass Carmen ihn eine Nacht lang begleitet. Carmen, die ihn anhimmelt, ist sofort einverstanden, aber in Jo keimt plötzlich Eifersucht. Nach dem Auftritt von Johnnie Ray stellt Jo Carmen zur Rede. Er will, dass sie mit ihm kommt und nicht zu Johnnie Ray geht. Es kommt zu Handgreiflichkeiten und plötzlich bricht Carmen tot mit einem Messer im Bauch zusammen.

 

 

Mein Fazit:

 

Nach dem Schlussapplaus bleibt man etwas ratlos zurück. Die Musik war der Nachkriegszeit angepasst, flott und passend zum Stück. Drei Lieder aus der Oper wurden in geänderter Version eingebaut. Allerdings fehlte der wirkliche Ohrwurm, mit dem man aus der Stiftsruine gegangen wäre.

 

„Displaced persons“ – so wurden von den alliierten Siegermächten die Menschen bezeichnet, die durch Krieg und Vertreibung entwurzelt wurden. Auch wenn sich die äußere Hülle mit der Zeit ändert und anpassungsfähig erscheint, das was drin steckt, bleibt immer das was, es war.

Das hätte man vielleicht etwas verständlicher machen können, zumal nur diese Liedzeile auf Englisch gesungen wurde. Alle Charaktere verändern sich, aber was in ihnen vorgeht, zeigen sie nicht. Nur der Mann mit dem Huhn nicht. Er ruft immerzu die Revolution aus und zeigt uns damit, was wirklich in ihm vorgeht.

 

Die Personen des Stücks waren nicht schlüssig, ja manchmal konnte man gar nicht verstehen, warum die Figur so plötzlich eine ganz andere Meinung hat – z.B. Jo, der ja zuerst die Halbseidene Carmen liebt, weil sie so ist wie sie ist und dann von jetzt auf gleich fordert, dass sie sich ändert. Warum? Warum nicht eher? Warum jetzt auf einmal?

Oder Carmen – sie soll eine femme fatal sein – erotisch und männermordernd? Woran erkenne ich das? Man vermutet, dass es so sein soll, aber auf der Bühne kommt es für uns so nicht rüber. Sie bleibt undurchsichtig – spricht in verschiedenen Sprachen, verschweigt woher sie kommt. Geheimnisvoll ja, aber mehr auch nicht.

Das Stück spielt in der Nachkriegszeit, geht aber nur oberflächlich darauf ein – der Ehrenkranz wird mit der D-Mark verziert und es gibt große Werbeplakate aus der Zeit. Die Probleme der Zeit werden ausgeblendet – die Geschichte hätte auch zu jeder anderen Zeit spielen können.

 

Die große Frage für uns war immer wieder: Warum heißt das Stück „Carmen“??

Warum heißt es nicht z.B. „Marlene“ ?? (wenn die Hauptfigur schon deutlich Ähnlichkeit mit der Filmlegende hat). Ähnlichkeiten zwischen George Bizet’s bzw. Prosper Mérimée’s Carmen und diesem Stück gab es zwar, aber es war trotzdem „ein deutsches Musical“ und keine Geschichte, die im Spanien des 19. Jahrhunderts spielt. Nutzt man da nicht zu sehr den Namen ??

 

Ich glaube, bis hierher habe ich mir mit meiner Kritik nicht viele Freunde gemacht *g*. Es ist aber nicht alles negativ und für uns hat sich der Besuch in Bad Hersfeld trotzdem gelohnt.

Die Darsteller waren sehr gut ausgewählt und passten genau in ihre Rollen!

Die Choreografie passte zur Musik, brachte überraschende Bilder und Bewegungen.

Das Bühnenbild mit der großen schwarz-rot-goldenen Treppe und dem überdimensionalen Ehrenkranz passte sich der Handlung immer wieder an. 

Die Musik von Wolfgang Schmidtke passte zum Stück und in die Nachkriegszeit, Jazz und Schlager jener Jahre wurden interpretiert – es fehlte aber der Ohrwurm.

Und da ist auch noch Gaines Hall, der zwar nur eine verhältnismäßig kleine Rolle als Johnnie Ray hat, diese aber so ausfüllt, dass ein Raunen durch die Zuschauerreihen ging, als er mit seinem Lied einsetzte.

 

Ich denke nicht, dass ich dieses Stück noch einmal ansehen muss, aber ich freue mich schon auf das kommende Jahr, wo es dann hoffentlich wieder ein bekanntes Stück geben wird – oder die richtige Oper „Carmen“ !!

 

 

Die Darsteller:

 

Anna Montanaro – Carmen

Stimmlich sehr gut, gut verständlich, ausdrucksstark.

Allerdings fehlte mir die Erotik der Figur – vielleicht lag es an den Kostümen, die zwar in die Nachkriegszeit passten, aber eher an Wollstrümpfe und selbstgenähtes Kleid erinnerten. So stelle ich mir keinen lasziven Vamp vor.

 

Christian Alexander MüllerJo

Er konnte mich in dieser Rolle nicht überzeugen – was auch an der wenig ausgearbeiteten Rolle liegen kann, aber gerade das sollte ja eine Herausforderung für einen Darsteller sein, so einer Rolle eine Prägung zu geben. Seine Sprechpassagen waren unverständlich, leise und wenig überzeugend. Gesanglich gut, aber beim Terzett mit Anna Montanaro und Kristin Hölck verblasste er doch sehr.

 

Kristin HölckJunge Marie

Sehr angenehme Stimme, passend zur Rolle, gut verständlich und überzeugend.

Das liebe Mädchen, das sein ganzes Leben lang diesen Jo liebt, nahm man ihr ab.

 

Franziska WeberAlte Marie

Sie spielte die Rolle überzeugend und man nahm ihr ab, dass sie sich mit ihrem Leben arrangiert hat.

Sie hat mich überzeugt!

 

Gaines HallJohnnie Ray

Überzeugend und faszinierend wie Gaines Hall in die Rolle des Johnnie Ray schlüpft.  Hätte man ihn nicht Johnnie Ray genannt, hätte man ihn auch als Gaines Hall, den Rock’N Roll-Star aus Amerika, vorstellen können. Großartig!

 

Maaike Schuurmans – Kati

Sie überzeugte mit ihrer Rolle und ihrer Stimme. Maaike Schuurmans vermochte es, ihrer Figur Profil zu geben und sie so zu spielen, dass man die Entwicklung nachvollziehen konnte.

 

Paul Kribbe - Karlemann

Seinen Karlemann kann man sich in der Realität vorstellen – stimmlich sehr kraftvoll und überzeugend, auch wenn ich ihm die 50er-Jahre Werbung nicht abgenommen habe.

 

Der Mann mit dem HuhnLivio Cecini

Sicher war es interessant und abwechslungsreich den Mann mit dem Huhn zu beobachten. Das Huhn Hanny spielte seine Rolle ja auch überzeugend: ein richtiges Huhn J. Was ich allerdings für völlig unnötig halte, ist ein echtes Huhn auf der Theaterbühne!! Da hätte es auch ein Stoffhuhn getan, denn die Hanny hätte sicher ihr Futter viel lieber auf dem Hühnerhof gesucht.

 

Das Ensemble

Alle Darsteller einzeln aufführen geht gar nicht, aber insgesamt haben wirklich alle ihre Sache gut gemacht - die Honoratioren, die im Gänsemarsch in die Bar marschiert sind oder die Hutverkäuferin, die hysterisch nach „Joooohnniiie Raayyy“ geschrieen hat, um nur ein paar davon zu erwähnen.

 

Gudrun Kauck 2010

 

>>> Fotos vom Schlussapplaus "Carmen" >>>

>>> Clubtreffen des Gaines Hall-Fanclubs >>>

 

 

http://www.osthessen-news.de/beitrag_H.php?id=1183416

 

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